-> Ziel und Inhalt der Kampagne
Für Mitarbeiter:innen und Interessierte aus dem Bereich Gewaltschutz und aus frauenpolitischen und feministischen Netzwerken geben wir im Folgenden einen Einblick in den Aufbau der Kampagne und stellen die einzelnen Materialien genauer vor. Wir möchten andere dazu ermutigen, die Herangehensweise, Konzept und Inhalte für die eigene Arbeit zu übernehmen und anzupassen, bitten aber um Rücksprache. Gerne geben wir auch näher Auskunft: kapp@nbfev.de oder kuester@nbfev.de oder 0331-813 298 47.
Hintergrund: Herangehensweise und Vorbereitung
Das NbF kennt aus seiner Arbeit die Problematik der mangelhaften Vermittlung. Die Hürde, ein Frauenhaus oder eine Beratungsstelle zu kontaktieren, ist sowohl für Betroffene als auch für deren Angehörige oder andere Zeug:innen häuslicher Gewalt hoch. Die Kampagne möchte die Hürde senken und Vermittler:innen einbinden. Sie umgeht die starke Tabuisierung häuslicher Gewalt, indem sie nicht Betroffene direkt, sondern Zeug:innen adressiert, und diese ermutigt und befähigt, eine Brücke zwischen Betroffenen und Expert:innen zu werden.
Die Idee der Kampagne wurde in einem eintägigen Auftakt-Workshop entwickelt, an dem neben dem moderierenden und umsetzenden Zoff-Kollektiv, der Koordinierungsstelle und zwei Mitgliedern des NbF auch Teilnehmer:innen aus dem Netzwerk gegen Feminizide, dem Flüchtlingsrat Brandenburg und der Fachstelle Gewaltprävention Brandenburg (Täterarbeit) beteiligt waren.
Als Zielgruppe wurden Fachkräfte, insbesondere aus familien- und körpernahen Berufen, identifiziert. Damit sie erfolgreich vermitteln können, brauchen sie Informationen dazu, was häusliche Gewalt ist, wie man sie erkennt, wie man sensibel Betroffene oder Beteiligte anspricht, wie man sich selbst abgrenzen kann und wo es spezialisierte Hilfe gibt.
Es wurden anschließend Interviews mit Fachkräften aus dem Bereich Kosmetik, Kita, Medizin und der ambulanten Pflege geführt, die von ihren Erfahrungen mit Unsicherheiten, Hürden, Erkenntnisprozessen und Erfolgen berichteten. In enger Zusammenarbeit mit Mitgliedern des Netzwerkes und dem Zoff-Kollektiv wurden fünf Handlungsschritte formuliert und die Materialen entwickelt.
Material
Videoclip
Zielgruppe: Fachkräfte, insbesondere aus familiennahen und körpernahen Berufen, angehende Fachkräfte. Potenzielle Vermittler:innen allgemein, Nachbar:innen, Bekannte. Menschen, die noch wenig sensibilisiert sind.
Ort: YouTube. Der Film kann durch Verlinkung auch von anderen verbreitet werden.
Der Videoclip basiert auf den destillierten und eingesprochenen Erfahrungen und Handlungsoptionen der interviewten Fachkräfte, die vermuten oder wissen, dass ihre Kund:innen, Klient:innen oder Patient:innen von häuslicher Gewalt betroffen sind. Der Clip ist eine erste Ansprache, schafft Problembewusstsein und möchte Fachkräfte ermutigen und befähigen, Betroffene an Expertinnen zu vermitteln. Als niedrigschwelliges Online-Format kann er schnell eine breite Öffentlichkeit erreichen.
Plakat
Zielgruppe: Fachkräfte, insbesondere aus familiennahen und körpernahen Berufen, angehende Fachkräfte sowie weitere potenzielle Vermittler:innen, die schon sensibilisiert sind.
Ort: Zum Aufhängen im Büro, Aufenthaltsraum, Flur, Tagungsraum, Schulungszimmer oder dem Konferenzsaal, wo sich andere Fachkräfte bewegen.
Das Plakat ist eine Gedächtnisstütze und Ermutigung. Auf fünf Schritte runtergebrochen, zu denen auch die eigene Abgrenzung gehört, macht es die eigenen Handlungsoptionen klar und bewältigbar. Es ist so ansprechend gestaltet, dass eine Fachkraft es sich in das Teambüro oder den Flur hängen kann ohne es als belastend zu empfinden. Es dient als tägliche Erinnerung und Ermutigung und kann auch andere Kolleg:innen für das Thema und die Verantwortung darin zu sensibilisieren.
Eine schwarz-weiß-Version des Plakates zum Selbstausdrucken gibt es hier.
Das Booklet im Hosentaschenformat in vier Sprachen
Das Booklet ist in seiner höchsten Auflage (5.000 Stück) auf Deutsch verfasst.
Zielgruppe: Fachkräfte, insbesondere aus familiennahen und körpernahen Berufen, angehende Fachkräfte sowie weitere potenzielle Vermittler:innen, die schon sensibilisiert sind. Insbesondere Menschen aus der Region.
Ort: Die Hosentasche oder Arbeitstasche ambulant arbeitender Fachkräfte, der Tisch mit Infomaterial im Büro, im Aufenthalts- oder Gruppenraum, Schulungszimmer oder Konferenzsaal, wo sich andere Fachkräfte bewegen.
Das 16-seitige Booklet ist wie das Plakat eine Gedächtnisstütze und Ermutigung. Auf fünf Schritte runtergebrochen macht es die eigenen Handlungsoptionen klar und bewältigbar. Es ist so ansprechend gestaltet, dass eine Fachkraft es bei sich tragen oder an Kolleg:innen weitergeben kann ohne es als belastend zu empfinden. In Ergänzung zum Plakat gibt es eine letzte Seite, auf der eine Frauenberatungsstelle oder ein Frauenhaus seine Kontaktdaten per Stempel oder Aufkleber einfügen kann. So ist der Kontakt zu den Expertinnen für die vermittelnde Person immer dabei.
Die drei weiteren Sprachen, jeweils in einer Auflage von 500 Stück:
Es gibt eine Version auf Polnisch.
Zielgruppe: Die polnisch-sprachige Community ist die größte nicht deutsch-sprachige Gruppe in Brandenburg. Zielgruppe des Booklets sind polnisch sprechende Fachkräfte, die in Brandenburg insbesondere in familien- oder körpernahen Berufen arbeiten.
Ort: Die Hosentasche oder Arbeitstasche ambulant arbeitender Fachkräfte, insbesondere aus familien- und körpernahen Berufen, der Tisch mit Infomaterial im Büro, im Aufenthalts- oder Gruppenraum, im Schulungszimmer oder Konferenzsaal, wo sich andere Fachkräfte und Engagierte bewegen.
Es gibt eine Version auf Englisch.
Zielgruppe: Englisch ist die am weitesten verbreitete Verkehrssprache weltweit, auch in Deutschland. Zielgruppe des Booklets sind Englisch sprechende Fachkräfte, die mit potenziell Betroffenen zu tun haben, die nicht oder wenig Deutsch sprechen. Dies können beispielsweise geflüchtete Frauen innerhalb oder außerhalb des Asylverfahrens sein, für sie sind die Hürden zu Beratungsstellen besonders hoch. Als potenzielle Vermittler:innen können beispielsweise Mitglieder von migrantischen Selbstorganisationen, Religions- oder Kulturgemeinschaften oder Sprachmittler:innen und Sprachlehrer:innen aktiv werden.
Ort: Die Hosentasche oder Arbeitstasche ambulant arbeitender Fachkräfte, der Tisch mit Infomaterial im Büro, im Aufenthalts- oder Gruppenraum, im Schulungszimmer oder Konferenzsaal, wo sich andere Fachkräfte und Engagierte bewegen.
Es gibt eine Version auf Arabisch.
Zielgruppe: Arabisch wird von vielen Frauen, die in den letzten Jahren geflüchtet sind, zumindest als Zweitsprache gesprochen und gelesen. Zielgruppe des Booklets sind Arabisch sprechende Fachkräfte, die mit potenziell Betroffenen zu tun haben, die nicht oder wenig Deutsch sprechen. Dies können beispielsweise geflüchtete Frauen innerhalb oder außerhalb des Asylverfahrens sein, für sie sind die Hürden zu Beratungsstellen besonders hoch. Als potenzielle Vermittler:innen können beispielsweise Mitglieder von migrantischen Selbstorganisationen, Religions- oder Kulturgemeinschaften oder Sprachmittler:innen und Sprachlehrer:innen aktiv werden.
Ort: Die Hosentasche oder Arbeitstasche ambulant arbeitender Fachkräfte, der Tisch mit Infomaterial im Büro, im Aufenthalts- oder Gruppenraum, im Schulungszimmer oder Konferenzsaal, wo sich andere Fachkräfte und Engagierte bewegen.
Der Aufkleber „Wir glauben Ihnen.“
Angesprochene Zielgruppe: Betroffene, die einen sensibilisierten ersten Gesprächspartner oder eine Gesprächspartnerin suchen.
Ansprechende Zielgruppe: Fachkräfte, insbesondere in familien- oder körpernahen Berufen, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Sie wissen, was sie tun können und möchten ihren Arbeitsplatz als vertrauensvollen Ort für Betroffene markieren.
Ort: Das Wartezimmer einer Praxis, das Schaufenster eines Studios, die sichtbare Fläche eines Tresens, eines Laptops oder des Kalenders einer Fachkraft. Orte, wo Fachkräfte sind, die wissen, was sie tun können und dies betroffenen Personen signalisieren möchten.
Der Aufkleber spricht eine andere Zielgruppe an als der Videoclip, das Plakat und das Booklet, nämlich die Betroffenen direkt. Der Aufkleber ist somit eine Brücke zum Gespräch, die von beiden Seiten aus beschritten werden kann: Von den Betroffenen selbst oder der vermittelnden Person. Er ist ein Zeichen, dass ein sensibles Gespräch über häusliche Gewalt an diesem als vertrauensvoll markierten Ort möglich ist. Er signalisiert, dass die Fachkraft gegebenenfalls Hilfe vermitteln kann und will.
Verteilung des Materials
Die Distribution erfolgt in erster Linie über die lokalen Expertinnen selbst. Dies sind zuerst die Mitglieder des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser: die Frauenberatungsstellen und Frauenschutzeinrichtungen in Brandenburg. Durch ihren Stempel oder Aufkleber auf der Rückseite des Booklets können sie einen Teil des Materials personalisieren und sich selbst als Ansprechpartnerin anbieten. Die Verteilung ist schon ein erster Schritt, um Brücken zu bauen und zu pflegen. Auch kennen die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen und ihre Ehrenamtlichen die potenziellen Vermittlungspersonen und -orte am besten. Die Koordinierungsstelle des NbF in Potsdam beschickt alle Mitgliedsorganisationen mit Material und liefert gerne nach.
Ein Teil des Materials wird über andere Kanäle an Fachkräfte als potenzielle Vermittler:innen verteilt, hierzu gehören unsere Kontakte aus den migrantischen Selbstorganisationen, der Politik, Verwaltung und den Berufsverbänden sowie frauenpolitische, feministische und andere zivilgesellschaftliche Akteur:innen.
Social Media Sharepics
Zielgruppe: Fachkräfte, Engagierte und frauenpolitische und feministische Akteurinnen in den Sozialen Medien, alle potenziellen Vermitler:innen und (potenziellen) Betroffenen.
Ort: instagram, facebook und twitter.
Die Social-Media-Kampagne mit professionell gestalteten Share Pics (gestaltete Kacheln mit Text, die einfach in den Netzwerken geteilt werden können) begleitet die Veröffentlichung des Clips und der Print-Produkte. Sie schafft Öffentlichkeit für das Thema im Allgemeinen und Ansprache an die Zielgruppe im Besonderen. Durch die Verbreitung der Bilder und Texte weit über die primäre Zielgruppe hinaus hoffen wir auch, eine generelle Sensibilisierung zu erreichen und alle Menschen zu ermutigen, sich sowohl als Betroffene von häuslicher Gewalt, als auch als deren Angehörige, Freund:innen oder Bekannte an die Expertinnen in den Beratungsstellen und Frauenhäusern zu wenden. Denn: Sie können etwas tun!
Impressum
Konzept: NbF e.V., Klarina Akselrud, Zoff Kollektiv und Systrar Productions
Text: Kornelia Kugler, Klarina Akselrud, NbF e.V.
Gestaltung: Zoff Kollektiv
Produktion, Regie und Schnitt: Kornelia Kugler
Kamera: Nadja Krüger und Kornelia Kugler
Animation: Mayan Printz
Tonaufnahme und Sound Design: Studio Lärm
Sprecher*innen: Karl Güttler, Friederike Hellmann, Frieder Miller, Hanna Petkoff und Stephanie Petrowitz
Gefördert von
Landespräventionsrat Brandenburg, MSGIV und Tolerantes Brandenburg / Bündnis für Brandenburg
Dank
Unser Dank für die Realisierung der Kampagne „Häusliche Gewalt. Sie können etwas tun.“ geht an:
Die Mitarbeiterinnen der brandenburgischen Frauenhäuser, die wie so oft ehrenamtlich ihre Expertise und Zeit eingebracht haben.
Die Interviewpartnerinnen, die uns vertrauensvoll und selbstkritisch einen Einblick in ihre Arbeit gaben und so dem Projekt die notwendige Basis und wichtige Impulse geben konnten.
Die Drehorte LASS WAXEN Waxing & Beautystudio, Zahnärzte Scholz, Treffpunkt Freizeit und Physiotherapie Potsdam am Rathaus.