Rückblick, Festaktrede und Fotogalerie: 30-jähriges Jubiläum des NbF e.V.
Ein Rückblick auf unsere Jubiläumsfeier am 14. März 2025
Am 14. März 1995 gründeten engagierte Frauen den Verein “Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser”, darunter Catrin Seeger, Dr. Regine Grabowski und Marina Khan (damals Ujlaki).
Zum Festakt im brandenburger Landtag am 14. März 2025 kamen die Frauenministerin Britta Müller, der Vizepolizeipräsident Jan Müller, die Landesgleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg und viele Freund*innen und Weggefährten. Landtagspräsidentin Prof. Dr. Liedtke war Schirmherrin und gratulierte im Namen des Landtags.
Die Rednerinnen würdigten die Arbeit der Gründerinnen und aller heutigen und ehemaligen Mitarbeiter*innen der brandenburgischen Frauenhäuser, Notwohnungen und Beratungsstellen und gratulierten zum 30-jährigen Bestehen des Netzwerks. Die Ethnologin Jeanette Toussaint, die die Geschichte des NbF e.V. erforscht, präsentierte Meilensteine der Verbandshistorie in einem spannenden multimedialen Vortrag. Auf einem generationenübergreifenden Podium fragte die Moderatorin Jenny Pöller drei (ehemalige) Mitarbeiterinnen: Was bedeutet Gewaltschutz gestern, heute und morgen? Wo kommen wir her, wo stehen wir, wo wollen wir hin?
Nach dem Festakt ging das Jubiläum in eine kleine Party im neuen Haus (Alter Markt 6) über mit Buffet, Sekt und Wiedersehensfreude. Das NbF dankt herzlichst allen Gästen, Redner*innen, der Slam Poetin Lisa Pauline Wagner, der Fotografin Simone Ahrend, den Köch*innen der Solikante, Unterstützer*innen und Freund*innen für all ihre Beiträge, die dieses Jubiläum zu einer würdevollen, ernsten, fröhlichen und berührenden Veranstaltung werden ließen.
Eigentlich wollen wir uns selbst abschaffen – aber erstmal feiern wir uns!
Die Broschüre von Jeanette Toussaint und dem NbF e.V. über die Geschichte des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser erscheint in Kürze.
Begrüßungsrede zum 30-jährigen Jubiläum des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser e.V.
Catrin Seeger, Gründerin und Vorstandsfrau des NbF e.V., am 14. März 2025 im Landtag Brandenburg
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin Prof. Dr. Liedtke,
sehr geehrte Frau Ministerin Müller,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung, des Landtages, der Landkreise und Kommunen,
sehr geehrter Herr Polizeipräsident,
liebe Weggefährtinnen und Weggefährten, liebe Gäste!
Mein Name ist Catrin Seeger, ich bin Sozialarbeiterin im Frauenhaus in Rathenow. Als Vorstandsfrau des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser und eines der Gründungsmitglieder des Vereins freut es mich heute ganz besonders, Sie hier alle begrüßen zu dürfen.
Es ist ein denkwürdiger Tag: Nicht nur, weil wir gemeinsam auf 30 Jahre engagierter und hartnäckiger Arbeit zurückblicken, sondern auch, weil wir heute hier sind: Im Landtag Brandenburgs, um uns zu würdigen und um uns würdigen zu lassen. Dieser Ort steht für demokratische Werte, er steht für Bestimmen und Gestalten im Sinne des Gemeinwohls, er steht für Aushandlung und Partizipation, denn Demokratie wird gemacht. Und hier erfährt unsere Arbeit heute die Anerkennung, die sie verdient. Heute sind wir genau richtig hier und es ist toll, dass Sie alle mit uns hier sind.
Es erfüllt mich mit Stolz, so viele Menschen hier zu sehen, die unser Netzwerk über die Jahre begleitet, gestärkt und mitgetragen haben. Von den Gründungsmitgliedern, die vor drei Jahrzehnten den Grundstein legten, über all die, die heute das Netzwerk von Innen und Außen mit Leben und Sinn gestalten, bis hin zu all jenen, die in Zukunft für unsere Sache einstehen und den Mut haben, sie noch größer und weiter zu denken – Euch und Ihnen allen gilt unser tiefster Dank.
30 Jahre Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V. – das bedeutet 30 Jahre Schutz, Unterstützung und Perspektiven für Frauen und Kinder, die Gewalt erfahren mussten. Es bedeutet Hilfe zur Selbsthilfe und Parteilichkeit. Es bedeutet, dass hier gleich ein Handy klingeln könnte, denn die Rufbereitschaft kennt keine Ausnahmen für Jubiläumsfeiern. Es bedeutet 30 Jahre gelebte Solidarität, Mut und beharrlicher Einsatz für ein selbstbestimmtes Leben.
Denn ein selbstbestimmtes Leben heißt nicht nur ein Leben frei von Gewalt und Angst. Ein selbstbestimmtes Leben heißt, sich entscheiden zu dürfen, wer man sein will, wo man sein will, mit wem man sein will. Es bedeutet, selbst dafür zu sorgen, die eigenen Entscheidungen umzusetzen und selbst zu verantworten. Wir sind alle nicht frei von Fremdbestimmung, sei sie wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Art: Wir müssen Geld verdienen und die Steuererklärung machen, wir haben von Klein auf gelernt, wie angeblich ein Mann zu sein habe und wie eine Frau, wir haben Zwänge verinnerlicht. Und wir haben Päckchen zu tragen, wir machen Fehler, wir haben Schwächen.
Aber wir teilen eine Vision von Freiheit und Selbstbestimmung für alle Menschen. Das klingt nach Revolution, und ja, wir wollen uns selbst abschaffen. Wir wollen eine Gesellschaft, in der es keine partnerschaftliche Gewalt mehr gibt und in der es uns Frauenhäuser nicht mehr braucht.
Aber unsere Vision heißt auch: Wenn eine Frau nach jahrelanger Unterdrückung und Erniedrigung, nach Schlägen und Erpressung, den Schritt aus der Gewaltbeziehung in ein Frauenhaus geht, sich Beratung sucht und schließlich irgendwann in ein unabhängiges Leben geht, dann sind wir der Umsetzung der Vision ganz real und praktisch ein Stück nähergekommen. Die Vision ist mit Leben gefüllt, einem selbstbestimmten Leben. Das ist die Arbeit, die wir, die Sozialarbeiter*innen im Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser seit 30 Jahren tun, das ist die Arbeit, die Spaß macht und die zutiefst demokratisch, gemeinwohlorientiert und gesellschaftsverändernd ist.
Unsere Arbeit war nie einfach, und sie ist es auch heute nicht. Wir werden belächelt und manchmal auch bedroht. Wir werden instrumentalisiert und manchmal wollen Leute uns vorschreiben, wie und für wen wir zu arbeiten oder wen wir auszuschließen hätten. Der gesellschaftliche Rechtsruck macht auch vor uns nicht halt: Frauenrechte, Schutzräume, Gleichstellung – vieles, was wir als selbstverständlich erachten, wird zunehmend infrage gestellt. Doch wir lassen uns nicht beirren. Wir werden trotzdem weitermachen. Wir werden weiter Frauen und ihre Kinder schützen. Wir werden weiter für eine Welt kämpfen, in der Gewalt keinen Platz hat. Gerade jetzt sind wir stärker denn je. Unser Netzwerk steht – solidarisch, widerständig und fest entschlossen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
Passend dazu steht die Brandenburgische Frauenwoche in diesem Jahr unter dem Motto „Trotz(t)dem“. Ein Wort, das unsere Haltung in diesen Zeiten bestens beschreibt. Trotzdem werden wir weitermachen. Trotzdem werden wir Frauen und ihre Kinder schützen. Trotzdem kämpfen wir für ein Land, in dem Gewalt keinen Platz hat.
30 Jahre Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser – das ist ein Jubiläum, das uns Kraft gibt, aber auch einen Auftrag: weiterzugehen, weiterzukämpfen, weiterzuwirken. Lassen Sie uns genau das tun – gemeinsam, unbeirrbar und visionär.
Bevor wir nun in das Programm des heutigen Festaktes starten, freue ich mich, unsere Moderatorin Jenny Pöller zu begrüßen, die uns nun durch die Veranstaltung führen wird.
Und bereits jetzt möchte ich Sie alle herzlich einladen, im Anschluss mit uns in unsere neuen Räume am Alten Markt 6 zu kommen. Dieser Umzug ist ein weiterer Meilenstein für unser Netzwerk. Gemeinsam mit dem Frauenpolitischen Rat Land Brandenburg und dem Autonomen Frauenzentrum Potsdam werden wir dort unsere Zusammenarbeit weiter stärken, uns noch besser vernetzen und unsere gemeinsame Kraft weiter ausbauen.
Herzlichen Dank!