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PM Neue Veröffentlichung über die Geschichte des NbF e.V.
Potsdam, 05. Juni 2025
Die Broschüre „Eigentlich wollen wir uns selbst abschaffen. Die Geschichte des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser“ ist am 05. Juni 2025 erschienen. In ihr wird erstmalig die Vereinsgeschichte des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser (NbF) erzählt, dessen Bestehen sich am 14. März 2025 zum 30. Mal jährte. Es ist eine exemplarische Geschichte des feministischen Kampfes in Ostdeutschland und ein Beispiel für zivilgesellschaftliches Handeln nach 1989. Autorin ist die Potsdamer Ethnologin, Ausstellungskuratorin und Publizistin Jeanette Toussaint, die die Recherchen in Zusammenarbeit mit Gründerinnen, Vorstand und Mitarbeiter*innen des NbF durchführte.
Auf 40 Seiten zeichnet Jeanette Toussaint die Geschichte des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser nach von seinen Vorläufervernetzungen, den Kontaktaufnahmen in mehrere Bundesländer in Ost und West, über die Idee hin zu konkreten Plänen, die sich schnell in die Tat umsetzten: Bis Ende 1991 wurden in Brandenburg neun Frauenhäuser eingerichtet. Gemeinsame Wissensaneignung und Professionalisierung gingen Hand in Hand mit der Vereinsgründung; und heute ist das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser der zentrale Akteur des Frauengewaltschutzes im Land. Dahinter stehen individuelle Biografien vieler Akteurinnen, die die Autorin in ihrem Text immer wieder zentral zu Wort kommen lässt und von denen fünf Steckbriefe den Haupttext flankieren. Hinzu kommen ausgewertete Archivmaterialien aus dem einen oder anderen Keller und Dachboden.
Gründerin und Vorstandsfrau Catrin Seeger: „30 Jahre sind eine lange Zeit und genau genommen gehen die Anfänge des NbF noch viel weiter zurück. Häusliche Gewalt gab es in der DDR auch, doch daraus folgte auch eine Art Widerstand. Frauen, die sich einen eigenen Weg suchten, und dann die große Solidarität, der gemeinsame Aufbruch: Unsere Geschichte ist es wert, endlich erzählt zu werden.“
Dass hier nicht nur eine Vereinsgeschichte erzählt wird, macht auch die Autorin immer wieder deutlich, schließlich ist Jeanette Toussaint eine ausgewiesene Spezialistin für jene DDR-Geschichte(n), die unter dem Radar der offiziellen, oft männlich geprägten Geschichtsschreibung fliegen. Jeanette Toussaint: „Im täglichen Kampf um die Menschenrechte von Frauen gerät die gesellschaftliche Bedeutung der eigenen Arbeit schnell aus dem Blick. Ein Jubiläum ist daher ein guter Anlass, gemeinsam mit den Akteurinnen zurückzuschauen und zugleich ihre Geschichte(n) festzuhalten. Denn nur so kann das Wirken von feministischen Projekten in die Historiografie einfließen und das Verständnis für gesellschaftliche und politische Prozesse erweitern.“
Ein Vorwort des heutigen NbF-Vorstands und ein Statement der Referentin für Gewaltschutz im Ministerium für Gesundheit und Soziales rahmen den Haupttext. Präsentiert werden außerdem viele Fotos und Dokumente. Gestaltung und Layout übernahm die Grafikerin Ines Glöckner (IG Projekt, Ludwigsfelde).
Die Broschüre ist in einer Druckauflage von 600 Stück erschienen und kann kostenlos in der Koordinierungsstelle des NbF bestellt werden.
Zitate aus der Broschüre:
„Wir sagen immer: Eigentlich wollen wir uns selbst abschaffen. Wir wollen eine Gesellschaft, in der es Frauenhäuser nicht mehr braucht, weil es keine partnerschaftliche Gewalt mehr gibt. Unsere Arbeit ist gesellschaftsverändernd, zutiefst demokratisch und gemeinwohlorientiert. Sie war nie einfach, das ist sie auch heute nicht. Doch gerade jetzt sind wir stärker denn je und lassen uns nicht beirren. Unser Netzwerk steht – solidarisch, widerständig und fest entschlossen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.“ (Vorwort des Vorstands: Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn, S. 1)
„Als Referentin im Frauenministerium wirke ich mit an der Bekämpfung von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt. Diese Tätigkeit und die Zusammenarbeit mit dem NbF empfinde ich als die wertvollste Arbeit, die ich je gemacht habe.“ (Katja Kundt: 30 Jahre Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser, S. 2)
„In Ostberlin existieren zu dieser Zeit bereits vereinzelte Schutzräume für gewaltbetroffene Frauen. Sie befinden sich in Kirchengemeinden und in Räumen der Kommunalen Wohnungsverwaltung. In Berlin-Weißensee hilft die 1984 von der Caritas eröffnete Anlaufstelle für Menschen in Krisensituationen auch Opfern häuslicher Gewalt. An diese Aufbrüche knüpfen Initiatorinnen von Frauenhäusern und Notwohnungen im Zuge des politischen Umbruchs 1989/90 in Ostdeutschland an. Sie gründen zahlreiche Initiativen – und werden regelrecht überrollt vom Bedarf nach sicheren Orten. Regine Grabowski, eine der späteren Netzwerkkoordinatorinnen, erinnert sich an ihre erste Konfrontation mit den Folgen häuslicher Gewalt im Frauenhaus Königs Wusterhausen: ‚Im Grunde habe ich mir einiges angelesen. Aber als sich das erste Mal eine Frau bei uns meldete, […] da war das auf einmal ganz nah.‘“ (Jeanette Toussaint: Die Geschichte des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser, S. 4)
„Vieles hat das Netzwerk in den letzten 30 Jahren erreicht. Doch wofür die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser und der Koordinierungsstelle bis heute kämpfen, sind Interventionsstellen in Brandenburg. Es gibt sie in anderen Bundesländern und auch in Österreich. Sie wären sinnvoll für ein verbessertes Schutzsystem, so Laura Kapp: ‚Diese Interventionsstellen machen die proaktive Beratung nach polizeilicher Wegweisung. Das […] ist im Gewaltschutzgesetz geregelt. Die Polizei weist den Täter weg und danach hat die betroffene Person die Möglichkeit beim Familiengericht Anträge auf zivilrechtlichen Schutz zu stellen: Zuweisung der Wohnung, Kontakt- und Näherungsverbot ‘“ […] Interventionsstellen würden auch die Mitarbeiterinnen in den Frauenschutzeinrichtungen entlasten, denn die übernehmen bislang die Beratungen vor Ort. […] Bereits 1999 waren Interventionsstellen Thema auf den Mitgliedsversammlungen des Netzwerks. Vorschläge zu ihrer Einrichtung im Rahmen des Aktionsplans der Bundesregierung zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen sandte das Netzwerk an das MASGF und führte einen Workshop durch, dessen Ergebnisse ebenfalls an das Frauenministerium gingen. Ein Jahr später war die Einrichtung von Interventionsstellen im Landesaktionsplan des Landes Brandenburg vorgesehen. Geklappt hat es nicht.“ (Jeanette Toussaint: Die Geschichte des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuse
Kontakt für Bestellungen und Rückfragen:
Maren Küster und Laura Kapp, Koordinierungsstelle
Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V.
Alter Markt 6
14467 Potsdam
0331 – 813 298 47
koordinierung@nbfev.de oder kuester@nbfev.de
Das vollständige Broschüre als pdf (3,34 MB) können Sie hier herunterladen.
Die Pressemitteilung als pdf können Sie hier herunterladen.