PM zum 25.11.2023
Gemeinsame Pressemitteilung von NbF e.V. und FPR e.V. – 23.11.2023
25.11.2023 – Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen
Jedes Jahr rufen zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure am 25.11. zur Teilnahme am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen auf. Der Frauenpolitische Rat Land Brandenburg e.V. (FPR) und das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V. (NbF) blicken zurück auf ein erfolgreiches Jahr für den Gewaltschutz in Brandenburg. Sorgen bereitet jedoch der Blick in die Zukunft: Angesichts eines erstarkenden Antifeminismus müssen die erreichten Zwischenziele mit vereinten Kräften krisenfest abgesichert werden, um der gesellschaftlichen Spaltung entgegenzutreten.
Jedes Jahr zum 25.11. lenken wir den Blick der Öffentlichkeit auf die unverändert erschreckend hohen Zahlen: 2022 erfasste die Polizei Brandenburg 5.853 Fälle häuslicher Gewalt. Ungezählt bleiben tausende nicht polizeilich angezeigte Fälle. Die Verbesserung des bedingungslosen Schutzes der Betroffenen ist dringlicher denn je. Doch in diesem Jahr können wir in Brandenburg auch auf Erfolge in den vergangenen 12 Monaten zurückblicken. Starke zivilgesellschaftliche Institutionen wie der FPR und das NbF konnten gemeinsam mit der Brandenburger Landespolitik und -verwaltung viel erreichen: Das Land Brandenburg hat die Abschaffung der Nutzungsentgelte für Gewaltbetroffene ermöglicht und Mittel für eine Tarifangleichung der Löhne der Mitarbeiter*innen freigegeben. Verwaltung und Zivilgesellschaft arbeiten an dem Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder, und es wurde ein neues Mantelgesetz zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt auf den Weg gebracht. Es gibt eine Landeskoordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul Konvention beim Ministerium, und die Kontaktstelle der zivilgesellschaftlichen Akteur*innen zur Umsetzung der Istanbul-Konvention – KIKO Brandenburg – befindet sich im Aufbau.
Als Feminist*innen wissen wir: Unsere hart erkämpften Errungenschaften sind nicht gesichert, wenn sie nicht auf allen Ebenen verankert sind und gegen Angriffe verteidigt werden. Frauenprojekten wird oft zuerst das Geld gestrichen, Angriffe gegen weibliche und trans Politiker*innen und Aktivist*innen nehmen zu, das gesellschaftliche Klima wird rauer.
Michaela Rönnefahrt, Mitarbeiterin des Frauenhauses Neuruppin und Vorstandsfrau des NbF e.V. mahnt: „Antifeminist*innen auf der Straße und in der Politik stehen in den Startlöchern, um unsere erreichten Ziele auszuhöhlen. Wir spüren ein Anwachsen des Hasses und eine Delegitimierung feministischer Anliegen. Egal ob es um partnerschaftliche Gewalt, Homo- und Transfeindlichkeit oder Rassismus und Antisemitismus geht: Schutzräume und Beratungsstrukturen müssen frei von politischen Konjunkturen Bestand haben. Sie sind mitunter überlebenswichtig für Menschen.“
Den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wahren, sich Gewalt und Diskriminierung entgegenzustellen ist eine Aufgabe für uns alle, es ist aber auch eine staatliche Verpflichtung. Deswegen appellieren wir an alle zuständigen Stellen: Sorgen Sie dafür, dass errungene Fortschritte gesichert und verfestigt werden. Stellen Sie sich mit aller Kraft gegen eine Rückwärtsrolle unserer Gesellschaft, damit wir demokratisch, diskriminierungs- und gewaltfrei miteinander leben können.
Jana Dornfeld, Geschäftsführerin des FPR: „Wir müssen gemeinsam und entschlossen jeder Form der Gewalt gegen Mädchen und Frauen entgegentreten. Auch spezifische Gewaltformen wie die Gewalt vor, während und nach der Geburt müssen stärker in den Fokus rücken. Darüber hinaus ist die Gewaltprävention z.B. durch Mädchen*arbeit von enormer Bedeutung und muss dringend gestärkt werden. Dabei sind wir auch auf die Bundesebene angewiesen: Wir brauchen verlässliche Finanzierungsmodelle, um den Gewaltschutz in Brandenburg langfristig auf stabile Füße zu stellen und antifeministischen Bewegungen entgegenzutreten!”
Eine wichtige konkrete Maßnahme ist die Fortführung des Bundesinvestitionsprogramms “Gemeinsam Gegen Gewalt an Frauen” über 2024 hinaus. In den Bundeshaushalten sind entsprechende angemessene Mittel für die Förderung investiver Maßnahmen zum Um-, Aus- und Neubau sowie der Sanierung von Hilfseinrichtungen vorzusehen.
Hintergrund
In der „Lagedarstellung häusliche Gewalt“ des Landeskriminalamtes Brandenburg sind für das Jahr 2022 insgesamt 5.853 Straftaten (2021: 5.887 Fälle) im Zusammenhang mit Häuslicher Gewalt erfasst, davon 4.078 Partnerschaftsgewalt und 1.862 Fälle innerfamiliärer Gewalt. Das ist ein Rückgang von lediglich 0,6 % im Vergleich zum Vorjahr. Das Niveau ist mit jährlichen Schwankungen über einen Zeitraum von 10 Jahren allerdings tendenziell steigend. Die Statistik weist auch aus, dass mit über 70% weiterhin vor allem Frauen betroffen sind und zu 75% Männer die Tatverdächtigen sind. In der Polizeistatistik sind in Brandenburg im Jahr 2022 fünf Todesopfer im Kontext häuslicher Gewalt erfasst (2021: sieben Opfer). Dabei handelt es sich ausschließlich um Femizide (2021: sechs weibliche Opfer, ein männliches Opfer). Alle fünf Frauen wurden von ihren Partnern getötet.
Derzeit stehen für gewaltbetroffene Frauen in Brandenburg nur rund die Hälfte der Schutzplätze zur Verfügung, die die Istanbul Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt) eigentlich vorschreibt. Besonders fehlen Schutzeinrichtungen und Beratungsstrukturen, die spezialisiert sind auf die immer komplexer werdenden Problemlagen gewaltbetroffener Frauen wie beispielsweise die Verschränkungen von psychischen Erkrankungen, Sucht, Überschuldung, rassistischer und/ oder homo- und trans*feindlicher Diskriminierung sowie der steigenden digitalen Gewalt.
Für Rückfragen und Informationen steht Ihnen die Koordinierungsstelle des NbF e.V. mit Laura Kapp und Maren Küster zur Verfügung:
Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V.
– Koordinierungsstelle –
Charlottenstraße 121, 14467 Potsdam
koordinierung@nbfev.de
0331 – 813 298 47
0160 – 796 33 17
Oder
Jana Dornfeld, Geschäftsführerin und Pressesprecherin des Frauenpolitischen Rates Land Brandenburg e.V.
Charlottenstraße 121, 14467 Potsdam
kontakt@frauenpolitischer-rat.de
0331 – 280 35 81