PM zu den 16 Aktionstagen gegen Gewalt 2024
Potsdam, 21.11.2024
Die Zahlen häuslicher Gewalt sind erneut gestiegen. Anlässlich der „16 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen“ fragt das NbF: Wir sind aktiv, doch was machen unsere Regierenden?
Das aktuelle Lagebild des BKA belegt in Zahlen, was das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser (NbF) im Arbeitsalltag sieht: Häusliche und partnerschaftliche Gewalt nimmt zu – sowohl in der Quantität, also der schieren Anzahl der Betroffenen, als auch in der Qualität, wo die Problemlagen der Betroffenen immer vertrackter werden. Hinter den 360 getöteten Frauen und Mädchen stehen viel zu oft Geschichten der vermeidbaren Eskalation, der ausgebliebenen Intervention, der versäumten Prävention. Und hinter jedem vollendeten Femizid stehen tausende Fälle, in denen die Gewalt noch nicht tödlich, aber immer eine Menschenrechtsverletzung ist.
„Die Zahlen des BKA bestürzen uns. Aber sie überraschen uns nicht, sondern bestätigen unser ungutes Gefühl und unsere Überlastung: Es wird deutlich mehr Gewaltschutz benötigt, als wir Frauenhäuser geben können“, erklärt Manuela Christoph, Mitarbeiterin des Frauenhauses Fürstenwalde und Vorstandsfrau des NbF e.V.
Obwohl der Bedarf steigt und die Gewaltschutzstrukturen ausgebaut werden müssten, sehen sich die brandenburgischen Frauenschutzeinrichtungen mit wachsenden Unsicherheiten konfrontiert. Mit Blick auf das aufgeschobene Gewalthilfegesetz des Bundes kritisiert Catrin Seeger, Leiterin des Beratungs- und Krisenzentrums für Frauen Rathenow und NbF-Vorstandsfrau: „Was machen unsere Regierenden? Wir sehen immer öfter wie sie unser Anliegen vertagen oder mit dem Verweis auf Haushaltsdefizite wegkomplimentieren. Und dann noch die rechte Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, Frauen und queere Menschen, wir stehen mit dem Rücken zur Wand.“
Als Praktiker*innen sind die Mitarbeiter*innen der Frauenschutzeinrichtungen 365 Tage im Jahr gegen häusliche und geschlechtsspezifische Gewalt aktiv. Deswegen beteiligt sich das NbF auch an der UN-Kampagne „16 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen“. Diese nutzt die Tage vom 25. November bis zum 10. Dezember, um auf das weltweite Problem der geschlechtsspezifischen Gewalt aufmerksam zu machen und verbindet so den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen mit dem Internationalen Tag der Menschenrechte. In ganz Brandenburg organisieren staatliche Akteur*innen, zivilgesellschaftliche Gruppen und engagierte Einzelpersonen Aktionen, Veranstaltungen und Workshops. Sie setzen symbolische Zeichen, bieten Wissensvermittlung, Empowerment und Vernetzung. „In Zeiten wie diesen verlassen wir uns aufeinander und wissen um unsere Verbündeten in Politik und Verwaltung. Wir zeigen deutlich: Die feministische Zivilgesellschaft ist da, sie ist stark und sie ist vernetzt. Und wir lassen nicht zu, dass gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder im Stich gelassen werden“, betont Jessika Grunow, Mitarbeiterin des Frauenhauses Eisenhüttenstadt und Vorstandsfrau des NbF.
Eine Übersichtsseite der geplanten Aktionen und ein Veranstaltungskalender sind unter https://www.nbfev.de/16-aktionstage-2024/ zu finden.
Hintergrund
Das BKA stellte am 19. November 2024 gemeinsam mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Lisa Paus das Bundeslagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023“ vor. Darin sind für das Jahr 2023 deutschlandweit insgesamt 180.715 Frauen[1] als Opfer von Häuslicher Gewalt erfasst, das sind 5,6 % mehr als im Vorjahr. 938 Tötungsdelikte an Frauen wurden registriert, neun mehr als im Jahr zuvor. Bei 360 Frauen und Mädchen waren die Tötungsdelikte vollendet. Bei 247 dieser Opfer handelte es sich um Häusliche Gewalt, davon waren 155 Frauen und Mädchen Opfer tödlicher Partnerschaftsgewalt und 92 Opfer von tödlicher innerfamiliärer Gewalt. Außerdem erfasste das BKA 52.330 weibliche Opfer von Sexualstraftaten (plus 6,2 %), 17.193 weibliche Opfer von digitaler Gewalt (plus 25%) und 591 Fälle des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (plus 6,9 %). Zudem wurden 322 frauenfeindliche Straftaten im Zusammenhang mit Politisch Motivierter Kriminalität erfasst.
Auf Landesebene weist die Polizeiliche Kriminalstatistik 2023 für das Land Brandenburg (erschienen im März 2024) 6.325 Straftaten im Kontext Häusliche Gewalt aus, dies sind 8% mehr als im Vorjahr (2022: 5.853). Hier sind 3/4 der Tatverdächtigen Männer, rund 70% der Opfer Frauen. Auch Vergewaltigungen und Angriffe auf die sexuelle Selbstbestimmung haben zugenommen. Die „Lagedarstellung Häusliche Gewalt im Land Brandenburg Jahr 2023“ des LKA ist noch nicht erschienen.
In Brandenburg gibt es aktuell 24 Frauenschutzeinrichtungen: 17 Frauenhäuser, 4 Frauennotwohnungen, 3 Frauenberatungsstellen. Die Einrichtungen sind im Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V. (NbF) zusammengeschlossen. Laut der Istanbul-Konvention müssten in Brandenburg 251 Zimmer zur Verfügung stehen, derzeit sind es 135. Besonders fehlen auch Schutzeinrichtungen und Beratungsstrukturen, die spezialisiert sind auf digitale Gewalt oder Mehrfachdiskriminierungen wie Behindertenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Homo- und Transfeindlichkeit. Auch sich zuspitzende gesamtgesellschaftliche Problemlagen treffen gewaltbetroffene Frauen und Kinder doppelt, sei es der Mangel an bezahlbaren Wohnraum oder eine gesellschaftliche Stimmung der Spaltung und Entsolidarisierung.
Für Rückfragen und Informationen stehen Ihnen Maren Küster und Laura Kapp aus der Koordinierungsstelle des NbF e.V. zur Verfügung:
Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V.
– Koordinierungsstelle –
Charlottenstraße 121,
14467 Potsdam
koordinierung@nbfev.de
0331 – 813 298 47
[1] Die Statistiken erfassen nur die Geschlechter männlich und weiblich.