Pressemitteilung: 10 Jahre Istanbul-Konvention – Aufklären, Aufrütteln, Aufbrechen
Bis zu einem Viertel der Frauen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben schon Erfahrungen mit körperlicher Gewalt. Ein Zehntel von ihnen sind von sexualisierter Gewalt betroffen. Deshalb hat die EU 2011 die „Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ in Istanbul verabschiedet. Am 11. Mai, also vor 10 Jahren, unterzeichneten die ersten Staaten die Übereinkunft. Mittlerweile verpflichten sich 45 Staaten mit ihrer Unterschrift zu den Zielen der sogenannten Istanbul-Konvention.
Anlässlich des 10. Jahrestages erklärt die Landesbeauftragte für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Manuela Dörnenburg: „Mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention haben sich Deutschland – und damit auch Brandenburg – verpflichtet, offensiv gegen alle Formen von Gewalt vorzugehen. Der Jahrestag ist Anlass, zu resümieren, was wir erreicht haben und wo es noch Nachholbedarf gibt.“
Als Dachverband der Frauenverbände stellt der Frauenpolitische Rat Land Brandenburg e.V. (FPR) fest: „Die Corona-Pandemie hat das Problem häuslicher Gewalt verschärft: laut Polizeistatistik gab es zwischen Juli 2020 und Januar 2021 16% mehr Delikte häuslicher Gewalt als im Vorjahr. Trotzdem hat es keinen entsprechenden Anstieg der Anfragen von Frauen in den Schutzeinrichtungen gegeben. Das zeigt: Der Weg zu Unterstützung und Beratung ist zu weit! Wer von Gewalt betroffen ist, braucht sichtbare und gut erreichbare Angebote. Die Istanbul-Konvention im Land Brandenburg umzusetzen heißt auch, dass jede*r Brandenburger*in weiß, wo Hilfe zu finden ist.“, so Verena Letsch, Pressesprecherin des FPR.
Die Landesgleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg ergänzt: „Einiges wurde bereits erreicht. Das Land hat Traumaambulanzen eingeführt und es gibt erste Angebote der Täterarbeit. Diese Entwicklungen sind begrüßenswert. Außerdem wird dem Anspruch der Istanbul-Konvention gefolgt, Angebote ganzheitlich zu betrachten und zu vernetzen, indem eine Koordinierungsstelle für das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser vom Land finanziert wird. Wir sind aber noch lange nicht da, wo wir hinmüssen. Die flächendeckende Erreichbarkeit von Schutzräumen und Beratungsangeboten für alle betroffene Frauen vor allem in den ländlichen Räumen bleibt eine große Herausforderung, die bei der Weiterentwicklung des Landesaktionsplans zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder in den Fokus gehört.“
Michaela Rönnefahrt vom Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser und Mitarbeiterin eines der Frauenhäuser betont: „Wir Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser sprechen seit Jahren über die Istanbul-Konvention. In der Kommunalpolitik ist sie allerdings weitestgehend unbekannt. Die Corona-Pandemie verdeutlicht die Probleme. Es ist Zeit, aufzuklären, aufzurütteln und gemeinsam in eine andere Zukunft aufzubrechen. Wir wünschen uns eine Strategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention, die alle Stimmen miteinbezieht. In fünf Jahren soll niemand mehr sagen können: „Istanbul-Konvention – Was ist das?““
Die Umsetzung der Istanbul-Konvention ist eine umfangreiche Aufgabe, der sich das Land Brandenburg stellen muss. Die drei Unterzeichnerinnen fordern auch im Hinblick darauf, dass die Folgen der Corona-Pandemie gestemmt werden müssen, eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung für diesen Prozess. Ein Frauenhausstrukturgesetz kann dafür der Anfang sein, ist aber nur ein Puzzleteil von notwendigen Maßnahmen, die ineinandergreifen. Gewalt gegen Frauen muss auch durch gute Präventionsarbeit bekämpft werden. Um all diese Maßnahmen umzusetzen, arbeiten die Landesgleichstellungsbeauftragte, die Mitgliedsorganisationen des FPR und die brandenburgischen Frauenhäuser eng zusammen.